Lebenslauf des Storches Helgoland DEW E2902, genannt der “Alte Schwede“

 

- Seine Wurzeln liegen in Belgien. 1978 schlüpfte er in einem Gehege des Schutzgebiets ZWIN bei dem Seebad Knokke.

 

- Im Nestlingsalter wurde er nach Schweden abgegeben: an das Naturreservat ERIKSBERG, das an der Südküste zwischen Karlshamn und Karlskrona liegt. Der Betreiber, ein Sohn des Naturfilmers und Schriftstellers Bengt Berg, wollte das Tier für ein privates Wiedereinbürgerungsprojekt verwenden. Jedoch entflog der Jungstorch im Spätherbst 1978. Wohl durch die Gehegeaufzucht und die damit verbundene Gewöhnung an Menschen entwickelte er sich zum „Zugversager“.

 

- Am 21.12.1978, unmittelbar vor der „Schneekatastrophe“, wurde der Storch in FRIEDRICHSTADT eingefangen.

Zu dieser Zeit trug er einen belgischen Vogelwartenring und einen schwedischen Privatring. Der Finder nahm beide Ringe ab und legte den – deutlicher lesbaren – Helgoland-Ring DEW E2902 an. Bei der Meldung der Beringungsdaten vermied er, die tatsächliche Herkunft anzugeben.

 

- Den Winter 1978/79 verbrachte der Storch in SÜDERSTAPEL: auf der vom Tierarzt-Ehepaar Dr. Wulf und Eva Hansen betriebenen Weißstorch-Auffangstation in einer Voliere. Nach Freilassung am 9.4.1979 verschwand er zunächst, kehrte aber zurück und hielt sich vom 30.10.1979 bis 27.3.1980 freifliegend in SÜDERSTAPEL auf.

 

- Am 3.4., 3.5. und 15.6.1980 wurde er in ERIKSBERG abgelesen. Er war also nach Schweden, an den Ort seiner Aufzucht, zurückgekehrt!

 

Leider erkannte man ihn wegen des neuen Ringes nicht wieder, zumal dort der Eindruck entstanden war, der Storch habe in Deutschland den Tod gefunden.

 

- Am 9.10.1982 Rückkehr nach SÜDERSTAPEL, überwinterte freifliegend.

 

- 1983 SÜDERSTAPEL: erstmalige Brut auf einem – nicht mehr vorhandenen – Niederspannungsmast in der Strandstraße. Nun zeigte sich, dass der „Schwede“ ein Männchen ist. Seine Partnerin Helgoland DEW 6265 (Jahrgang 1977, aus Wildbrut im Nachbarort Seeth-Mildterhof) und die 3 Jungen zogen ab.

 

- Winter 1983/84 freifliegend in SÜDERSTAPEL.

 

- 1984 SÜDERSTAPEL: Brutvogel, Junge eingegangen. Partnerin 6265 abgezogen. Erneute Überwinterung in Süderstapel.

 

- 1985 SÜDERSTAPEL: Mit Partnerin DEW 6265 zunächst auf dem Mastnest, danach Umsiedlung auf einen Birnbaum im Garten von Dr. Hansen. Die dort aufgewachsenen 2 Jungen und die Partnerin zogen ab. Der „Schwede“ blieb zunächst am Brutort.

 

- 30.11.1985 aus Süderstapel weggeflogen, 1.12.1985 Übernachtung in HEIDE.

 

- 2.1.1986 WILSTER: mit Betäubungsmittel eingefangen, nach Süderstapel zurückgebracht.

 

- 1986 SÜDERSTAPEL: Brutvogel. 4 Junge und Partnerin 6265 abgezogen.

DEW E2902 überwintert freifliegend in Süderstapel.

 

Eines seiner Jungen – ein Weibchen – siedelte sich nach Eintritt der Geschlechtsreife 1989 in Ascheffel an und nistete dort alljährlich bis 2004 (Helgoland DEW 275L).

 

- 1987 SÜDERSTAPEL: Brutvogel. 3 Junge abgezogen. DEW E2902 und erstmals auch seine Partnerin DEW 6265 überwinterten.

 

- 1988 SÜDERSTAPEL: nach Unfalltod des Weibchens Neuverpaarung mit Störchin DEW 676K (Jahrgang 1984, aus Wildbrut in Bergenhusen, Kamin Gasthof „Hoier Boier“), Brutversuch. Partnerin zog ab. DEW E2902 überwinterte freifliegend in Süderstapel.

 

- 1989 SÜDERSTAPEL: Brutversuch mit neuer Partnerin DEW 775F (Jahrgang 1984, aus Wildbrut in Friedrichsgraben – aktuell in Wiemerstedt nistend!). Weibchen zog ab, DEW E2902 entschied sich wieder für die Überwinterung.

 

- Seither lebt der "Alte Schwede" ganzjährig in SÜDERSTAPEL.

 

Partnerin in den meisten Brutperioden seit 1992 war die Störchin DEW 263L (Jahrgang 1985, Pflegling aus Tönning). Sie überwintert ebenfalls freifliegend am Ort.

 

DEW E2902 unternimmt im Herbst zuweilen mehrtägige Ausflüge in die Umgebung, so 2008 und 2009 nach STELLE-WITTENWURTH. Das norddeutsche Winterwetter haben beide Vögel bisher unbeschadet überstanden, sogar den Orkan „Anatol“ im Dezember 1999. Bei Schnee oder anhaltendem Frost wird zugefüttert.

 

In einzelnen Jahren waren die Störche im Sommer anderweitig verpaart, wobei das Weibchen in Bergenhusen nistete. Dennoch fanden beide im Herbst wieder zusammen und bildeten auf dem Süderstapeler Nest eine „Winter-WG“.

 

- Herausragend war 1993 eine Brut mit 5 Jungen! Das Schauspiel ihres Flüggewerden erlebte Dr. Wulf Hansen noch, wenige Tage bevor er verstarb. Bei ihrer Beringung griff der (an Menschen gewöhnte und deshalb nicht scheue) „Schwede“ den Beringer Georg Fiedler an und fügte ihm Kopfverletzungen zu. Eines der Jungen (581P) kehrte 1996 in die Heimat zurück und nistete auf der Bergenhusener Kirche.

 

- 1994 brach ein tragender Ast des morschen Baumes ab, das Nest stürzte herab. Da zuvor die Brut gescheitert war, gab es keine Opfer.

 

- 1995 wuchs auf einem an gleicher Stelle von der SCHLESWAG errichteten Ersatznest ein Einzeljunges auf, das sogleich nach dem Ausfliegen auf ungeklärte Weise verschwand.

 

- 1996 siedelte das Storchenpaar auf ein (seit Jahren bestehendes) Mastnest in der Hauptstraße um. Dort ist der „Alte Schwede“ seitdem sesshaft.

 

In den letzten Jahren hatte er keinen Bruterfolg mehr. Wenn Brutversuche unternommen wurden, starben entweder die Jungen durch Witterungseinflüsse, oder es schlüpften keine. 2009 blieb er auf seinem Horst allein. Inwieweit dabei das Alter eine Rolle spielt, bleibt dahingestellt. (Als ältestes Weißstorchpaar mit Bruterfolg gelten eine 33-jährige Störchin und ihr 28-jähriger Partner 2007 im oberschwäbischen Riedlingen.)

 

Tatsache ist, dass der 1978 geborene "Schwede" mit nunmehr 31 Jahren der älteste je in Schleswig-Holstein freilebend nachgewiesene Weißstorch ist.

 

DEW E2902 zog von 1983 bis 2010  28 Jungstörche auf.

 

Als Zugvogel hätte er aber wegen der Strapazen des Zuges dieses Alter wohl kaum erreichen können.

 

Die Daten von 1978 bis 1989 stammen aus der Arbeit „Überwinterung von Weißstörchen (Ciconia ciconia) in Mitteleuropa" von Georg Fiedler, verfasst im Auftrag des Wildparks Eekholt 1990, 93 Seiten, unveröffentlicht. Außerdem spielt der „Schwede“ eine Rolle in dem Jugendbuch „Ferien im Storchendorf“ (Text: Boy Lornsen, Fotos: Georg Fiedler. Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg, 1984).